Peter Wahl ist Sozialwissenschaftler, Vorstandsmitglied von WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung – und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac.

Nach dem Fall des Sozialismus waren die USA die einzig verbliebene Supermacht. Sie nutzten ihre globale Dominanz zur Ostexpansion der NATO und führten vermehrt Kriege, um ihre „neue Weltordnung“ damit abzusichern. Doch das unipolare System war eine historisch sehr kurze Epoche. Inzwischen findet ein Umbruch der Weltordnung hin zu einem multipolaren System statt. Solche Situationen erhöhen enorm das Konfliktpotential. Die USA verteidigen aggressiv ihre Vormachtstellung. Die EU ist einerseits als Juniorpartner Teil des transatlantischen Machtblocks, strebt aber zunehmend selbst zu imperialer Großmachtpolitik. Der Workshop befasst sich mit aktuellen Geostrategien der imperialistischen Mächte und ihren Grundlagen. Dabei soll u. a. diskutiert werden, inwiefern sich Deutschland / die EU von den USA „emanzipieren“ und sich für eine multipolare Friedensordnung unter dem Schirm der UNO positionieren müssen oder ob wir eine Haltung der „Äquidistanz“ zu verschiedenen Machtblöcken brauchen.

 

Bericht aus der Veranstaltung

Nuklearer Winter statt Erderwärmung? Diese provokante These diente Peter Wahl als Einstieg in einen wichtigen Grundlagenvortrag, der sich um Geostrategien imperialistischer Großmächte und ihre ökonomischen Triebkräfte, um das Comeback der Atomkriegsgefahr infolge der Erosion des strategischen Gleichgewichts/der einseitigen Kündigung bedeutsamer Abrüstungsverträge, um den ökonomischen Aufstieg Chinas, Indiens und der „Entwestlichung der Welt“, um Wirtschaftssanktionen und Gegenreaktionen darauf sowie um aktuelle „Brennpunkte“ im Persischen Golf und südchinesischen Meer drehte. Klar wurde, dass die Kriegsgefahr wächst und die Friedensbewegung stärker werden muss – wobei der multipolare Charakter der neuen Weltordnung auch die Chance für eine Demokratisierung und Stärkung des UN-Systems bietet. Während es über viele interessante Details des Vortrags eine rege Diskussion gab, war man sich über die Prinzipien linker Außenpolitik einig, die am Ende folgendermaßen zusammengefasst wurden:

  1. Atomare Sicherheit und Frieden auf Agenda nach oben
  2. Verknüpfungen Krieg – Klima/Umwelt – Gerechtigkeit
  3. Konfliktbearbeitung politisch – Respekt der UN-Charta
  4. Pro Multipolarität als Chance zur Demokratisierung des internationalen Systems
  5. Multilateralismus statt Blockbildung; Obsoleszenz der NATO
  6. Kritik an Feindbildproduktion & Missionarismus; keinen Export von Revolution, Demokratie u.a. „Werten“
  7. Stop für Militarisierung der EU
  8. Keine Bündnistreue als Wert an sich – auch nicht in EU
  9. Positionsbestimmung case by case statt formaler Äquidistanz
  10. Konkrete Abrüstungsinitiativen, z.B. keine Mittelstreckenraketen
  11. Nein zum 2%-Ziel
  12. Aktive Förderung der Friedensbewegung

Lydia Krüger