I. Die Sozialistische Linke – die gewerkschaftlich orientierte Strömung

Wir stehen für eine Linke, die die Tradition der sozialistischen ArbeiterInnen-Bewegung in sich aufhebt und einen neuen Anlauf unternimmt, die Vorherrschaft des Kapitals zu überwinden. Wir wollen die Welt so gestalten, dass den Menschen ein Leben nach ihren Bedürfnissen in Würde, materieller Sicherheit und Freiheit ermöglicht wird. Die Linke muss zugleich realistisch und radikal, an die Wurzel gehend, sein. Sie muss die fortschrittlichen Kräfte aus Arbeit, Wissenschaft, Kultur und Politik zusammenführen und gesellschaftliche Bündnisse schmieden. Sie muss Perspektiven für ein besseres Leben entwickeln und die Menschen gewinnen, sich gemeinsam dafür einzusetzen. Sie muss für die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen wie auch des Bewusstseins der Menschen kämpfen. Nur so können wir das Wünschbare möglich machen und das Mögliche durchsetzen.

Mit diesem Text melden wir uns als eine breite Strömung zu Wort, die an linkssozialdemokratische und reformkommunistische Traditionen anknüpft. Wichtige Grundlagen unserer Positionen bilden marxistische Gesellschaftsanalyse und Strategiediskussion sowie links-keynesianische Positionen alternativer Wirtschaftspolitik. Im Mittelpunkt unserer strategischen Überlegungen stehen die Interessen der abhängig Beschäftigten und der sozial Ausgegrenzten und Benachteiligten. Fortschrittliche gesellschaftliche Veränderungen können nach unserer Überzeugung heute nur in einem Wechselspiel politisch-parlamentarischer Kräfte und außerparlamentarischer sozialer Bewegungen durchgesetzt werden. Am wichtigsten sind dabei die Gewerkschaften.

II. Der Kapitalismus im 21. Jahrhundert

Zunehmende Unsicherheit und Ungleichheit

Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Welt voller Instabilitäten und Widersprüche. Die Menschen sind verunsichert, weil in immer mehr Lebensbereichen von ihnen die Bereitschaft verlangt wird, sich bestmöglich zu vermarkten. Angst wird zu einem vorherrschenden Lebensgefühl vor dem Hintergrund negativer Perspektiven: Die Gesellschaft zerfällt immer deutlicher in Arm und Reich. Für immer mehr Menschen wird die Zukunft weniger planbar, da sie von Arbeitslosigkeit und Altersarmut bedroht sind und die Reallöhne stagnieren oder gar sinken. Die Zahl der regulären Vollzeitarbeitsplätze nimmt ab, und immer häufiger reicht selbst eine Vollzeiterwerbstätigkeit nicht aus, um ein Leben oberhalb der Armutsschwelle führen zu können. Rechtsansprüche und Sozialeinkommen aus Sozialversicherungen und staatlich organisierter Umverteilung zur Überbrückung von Phasen der Erwerbslosigkeit (Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit), die frühere Generationen erkämpft haben, werden durch politische Entscheidungen beseitigt. Der Wohlfahrtsstaat wird ersetzt durch eine immer umfassendere behördliche Kontrolle, Disziplinierung und Stigmatisierung der Bedürftigen. Immer mehr Menschen werden infolge dieser Entwicklungen von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.

Der nicht am Profit orientierte Bereich der Dienstleistungen in staatlichen, gemeinwirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen – Ergebnis historischer Auseinandersetzungen und gesellschaftlicher Kompromisse – wird aufgelöst. Teile dieser Dienstleistungen sind durch die Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes und den Druck kapitalistischer Dienstleistungskonzerne Schritt für Schritt der Privatwirtschaft und ihren Gewinninteressen ausgeliefert worden. In Planung befindliche europäische Vorgaben wie der EU-Verfassungsvertrag und die EU-Dienstleistungsrichtlinie sollen diesen Prozess verstärken und ihn juristisch zementieren.

Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeit

Die Einführung computergestützter Maschinen hat zu enormen Produktivitätsfortschritten und zum Verlust von Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie, aber auch im Bereich von Verwaltungen, Banken und Versicherungen geführt. Zugleich hat die flächendeckende Einführung elektronischer Datenverarbeitung zu neuen Formen der Arbeitsorganisation geführt, wie z. B. neuen Formen der Team-, Gruppen- und Projektarbeit. Zudem wird die elektronische Datenverarbeitung zunehmend in Verbindung mit dem Internet genutzt: Arbeit findet vermehrt an verschiedenen Orten statt – auch in der eigenen Wohnung.

Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die Beziehungen der Beschäftigten untereinander. Die Veränderung der Arbeitsorganisation zielt auf eine flexiblere Nutzung der eingesetzten Arbeitskräfte. Arbeitsablauf und Arbeitszeiten gehorchen in zunehmendem Maße keinem festen Standard mehr. Die Arbeitskräfte müssen den Ablauf und die zeitliche Organisation ihrer Arbeit und damit ihres Alltags in wachsendem Maß selber gestalten.

Das Leitbild der veränderten Arbeitsorganisation ist der „atmende Betrieb“. In jeder der 24 Stunden des Tages sollen die betrieblichen Produktionsmittel zur Steigerung der Verwertung genutzt werden. Routineprozesse der Erwerbsarbeit werden aufgelöst, und von den Menschen wird mehr und mehr unternehmerisches Denken und Arbeiten verlangt. Dabei ist das Entscheidungsrecht der Arbeitgeberseite noch immer das in letzter Instanz entscheidende Kriterium betrieblicher Abläufe, dem die Arbeits- und Zeitbedürfnisse der Beschäftigten untergeordnet sind. Gestärkt wurde die Position der Arbeitgeberseite durch staatliche Deregulierungen etwa beim Kündigungsschutz- und Ladenschlussgesetz oder durch die Förderung von Mini-Jobs. Daraus folgt aber nicht, dass es sich bei der Flexibilisierung von Arbeitsformen nur um Zwangsmaßnahmen von Kapital und Staat handelt. Die Veränderung von Arbeitsformen wurde aufgrund veränderter Arbeits- und Zeitbedürfnisse der lohnabhängig Beschäftigten teils auch von diesen selber angeregt.

Frauen weisen etwa eine zunehmende Erwerbsquote auf und nehmen mehr als früher am Erwerbsleben teil. Zudem wünschen viele Lohnabhängige einen Mittelweg zwischen Voll und Teilzeitverhältnissen und fordern Wahlarbeitszeiten, die im Erwerbsverlauf variieren können. Sie wollen Zeitsouveränität, um ihre individuell verschiedenen Lebensentwürfe, z.B. die Vereinbarung von Familie und Beruf, verwirklichen zu können.

Der Appell des Neoliberalismus an stärkere Eigenverantwortlichkeit fällt bei vielen Beschäftigten auf fruchtbaren Boden. Sie möchten nicht nur Befehlsempfänger sein, sondern ihre steigenden Qualifikationen und Kompetenzen selbst bestimmt einbringen. Einige Beschäftigte nehmen die mit der Vermarktlichung der Beziehungen innerhalb eines Unternehmens verbundene größere Eigenverantwortlichkeit als persönliche Anerkennung und Erweiterung von Freiheitsspielräumen wahr. Zum Teil ist sie das auch. Die Einsichten der abhängig Arbeitenden und die tatsächlichen Bedingungen klaffen aber auseinander.

 

Regulierungen und sozialrechtliche Absicherungen der Lohnarbeit werden angegriffen bzw. wurden schon beseitigt – auch zulasten der flexibel Arbeitenden. Prekarität greift um sich: Immer weniger Beschäftigte arbeiten unter dem Schutz von Tarifverträgen, immer mehr kennen Niedriglöhne, erzwungene Teilzeitarbeit, befristete Verträge, fehlenden Kündigungsschutz, Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, Leiharbeit, Schein- und prekäre Selbständigkeit, Dauerpraktika, Phasen der Erwerbslosigkeit.

Konkurrenz wird verschärft anhand von Kennzahlenvergleichen, best practices und der Übertragung von Erfolgsverantwortlichkeit an Abteilungen und auch an einzelne Beschäftigte, die zu Arbeitskraft- UnternehmerInnen erklärt werden. Diese müssen sich selbst vermarkten und werden in gnadenlose Konkurrenz gesetzt, können aber über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verfügen. Zudem ist ihre Flexibilität unter aktuellen Bedingungen mit Unsicherheit verbunden: Qualifikationen können dauerhaft entwertet werden, und auch Arbeitskräften mit guten Qualifikationen droht die Ausgrenzung aus dem Produktionsprozess oder der Zwang zu prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Besonders heftig zeigen sich diese Widersprüche bei den immer zahlreicher werden Solo- Selbständigen. Neben Protest herrscht die Bereitschaft zum Verzicht. Einerseits wird an die Politik appelliert, andererseits werden betriebliche Bündnisse zur Standortsicherung als Heilmittel für die Gesamtwirtschaft fehl gedeutet. Kollektive Gegenwehr wird so erschwert. Ein höherer Grad politischer Bewusstheit, Orientierung und Bewegung ist Bedingung des Wiedererstarkens sozialer Gegenmächte zum Kapital. Dieser Widerstand muss neben dem Protest gegen die Verhältnisse politische Rahmenbedingungen erkämpfen, die das Bedürfnis der arbeitenden Menschen nach erhöhter Selbsttätigkeit mit einer bewussten Regelung und Steuerung der Ökonomie und der sozialen Verhältnisse verbinden. Dies erfordert eine grundsätzliche Alternative zum Neoliberalismus.

Der Neoliberalismus

Der Neoliberalismus setzt an den widersprüchlichen Entwicklungen des modernen Kapitalismus an. Er appelliert an die Eigenverantwortlichkeit der Menschen und behauptet die grundsätzliche Überlegenheit markt- und konkurrenzgesteuerter Prozesse gegenüber öffentlicher und kollektiver Regulierung. Strukturelle Ungleichheit zwischen Armen und Reichen innerhalb einer Gesellschaft wird als Motor des Fortschritts propagiert. Der Neoliberalismus stellt eine Ideologie der Ungleichheit dar, die den Einzelnen ihren Platz in der Gesellschaft nur noch nach ihrem Eigentum oder dem Nutzen ihrer Arbeitskraft zuweist, d. h. ihrer Bereitschaft, sich und die KollegInnen profitabel zu machen. Konkurrenz und Ellenbogen bestimmen die Spielregeln am Arbeitsplatz, im Ausbildungssystem und bei den Sozialleistungen und sollen Solidarität und Kooperation ersetzen. Jeder soll sich – so das neoliberale Glaubensbekenntnis – angeblich frei entscheiden, wie viel vom Einkommen konsumiert und wie viel in die Alters- und Gesundheitsvorsorge investiert werden soll.

Der Neoliberalismus leugnet, dass nicht Freiheit, sondern die Herrschaft des Kapitals über die lebendige Arbeit, die Verteilung und die Investitionen die moderne Wirtschaft und das Leben bestimmen. Er leugnet, dass menschliche Bedürfnisse nur insoweit eine Rolle spielen, wie sie sich in zahlungsfähiger Nachfrage ausdrücken oder der Profitproduktion förderlich sind. Privateigentum, Konkurrenz und Marktgesetze sollen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens bestimmen, tarifliche und politische Eingriffe sind möglichst zurückzuschrauben. Politik soll die Marktkräfte und das Kapital nicht behindern, sondern sich ihnen unterordnen und sie fördern. Zudem werden die demokratischen Handlungsmöglichkeiten nationalstaatlicher Regierungen immer weiter eingeschränkt, und die EU und ihr Verfassungsentwurf schreiben das Wettbewerbsprinzip als das bestimmende fest.

Der Neoliberalismus wendet sich damit gegen die Demokratie, der substanzielle Gestaltungsmöglichkeiten entzogen werden. Demokratie wird zunehmend auf ein formales Verfahren reduziert, die Herrschaft des großen Geldes in sich nur gering unterscheidenden Varianten abzusegnen. Der Neoliberalismus mitsamt seinem Freiheitsbegriff richtet sich damit nicht nur frontal gegen die Errungenschaften, Interessen und Ziele der lohnabhängigen Klasse und der Linken. Er ist mehr als nur irgendein Projekt des Kapitals, er bedroht die erreichten sozialen und demokratischen Errungenschaften menschlicher Zivilisation. Der Ausgrenzungsdiskurs des Neoliberalismus bildet auch das Scharnier für rechtsradikale Denk- und Verhaltensmuster, in denen die ALG-II-Empfänger nicht nur als Parasiten bezeichnet, sondern auch so behandelt werden.

Neoliberale Mythen

Der Neoliberalismus führt die Wachstumsschwäche auf den Eingriff des Sozialstaates und der Gewerkschaften in die Marktprozesse zurück, die von sich aus angeblich immer zu einem harmonischen Gleichgewicht tendieren würden. Arbeitslosigkeit ist in dieser Sicht das Resultat nicht marktkonformer Eingriffe ins Wirtschaftsgeschehen: Zu hohe Löhne, zu hohe Lohnnebenkosten und zu hohe Steuern würden die Arbeitslosigkeit verursachen. Auch den Beschäftigten drängt sich zunächst die betriebswirtschaftliche Logik auf: Wenn ein einzelnes Unternehmen wirtschaftliche Probleme hat, muss es Kosten sparen, und zentrale Kostenfaktoren sind Löhne und Steuern. Neoliberalismus verallgemeinert einzelwirtschaftliches Denken auf die Gesamtwirtschaft, volkswirtschaftliche Zusammenhänge und die zentrale Bedeutung der Nachfrageseite werden ausgeblendet.

Dass die Löhne den Lebensunterhalt der Menschen decken müssen und zugleich die wichtigste Quelle gesamtwirtschaftlicher Nachfrage sind, wird ignoriert. Dass Lohnkürzungen vor allem den Druck auf die Konkurrenten erhöhen und im Endeffekt die Nachfrage weiter schwächen und damit Arbeitsplätze vernichten, wird nicht gesehen. Besonders im Fokus stehen die sogenannten „Lohnnebenkosten“, die als Abzug statt als Bestandteil des Lohns dargestellt werden. Dabei wird aus den Lohnnebenkosten unmittelbar die Sozialleistung an Rentner, Kranke und Arbeitslose gezahlt, für die sich die Beschäftigten sonst auf eigene Kosten privat absichern müssten und zunehmend müssen. Steuern schließlich finanzieren wichtige nachfragewirksame Staatsausgaben.

Ein weiteres neoliberales Argument lautet: Die demografische Entwicklung erzwinge angeblich, dass immer mehr ältere Leute immer weniger bekommen sollen. Unterschlagen wird dabei, dass die Arbeitsproduktivität von Jahr zu Jahr steigt, so dass mehr Güter und Dienstleistungen je Zeiteinheit hergestellt werden können. Dass nicht alle gleichermaßen von dem so ermöglichten wachsenden Reichtum profitieren, ist aber eine Frage gesellschaftlicher Produktions-, Verteilungs- und Machtverhältnisse.

Mit der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte begründet die neoliberale Ideologie Privatisierungen öffentlichen Eigentums und Sozialkürzungen. Dem Alltagsbewusstsein entspringt die Vorstellung, dass Staaten genauso wie Privathaushalte sparen müssten, wenn sie zu wenig Geld haben. Dass jedoch Kürzungen des Staatshaushalts krisenverschärfende Wirkungen haben, ist ebenso wenig bewusst, wie dass die Finanzkrise durch politische Umverteilungsentscheidungen selbst geschaffen wurde. Steigende Zinszahlungen für öffentliche Schulden zeigen, dass genug Geld in bestimmten Händen vorhanden war, um es zu verleihen. Die bisherige Politik hat in zu geringem Maße durch Steuern auf dieses Geld zugegriffen. In der Folge wird der private Reichtum der Gläubiger durch Zinszahlungen vermehrt, die Lohnabhängige und VerbraucherInnen durch Steuern aufbringen.

Wir leben nicht auf Kosten der nächsten Generation, wenn wir dieses Geld in öffentliche Infrastruktur, Krankenhäuser, Altenpflegeeinrichtungen, Bildungsinstitutionen usw. investieren, die noch lange genutzt werden. Privatisierung öffentlichen Eigentums, das über Generationen aufgebaut worden ist, dient der „inneren Landnahme“, also der Erschließung neuer Verwertungsfelder in der Gesellschaft durch Kapital, das woanders keine profitable Anlagemöglichkeit mehr findet. Um Gewinn zu erzielen, werden auf dem Rücken der Beschäftigten Kosten gesenkt und die Preise erhöht. Damit werden entweder ärmere Schichten als Nutzer wichtiger Dienstleistungen ausgeschlossen oder bei öffentlicher Subventionierung der Preise eine Umverteilung zugunsten der Privatanbieter bewirkt. Da Freiheit und Individualitätsentwicklung vom Zugang zu solchen Dienstleistungen abhängen, trägt diese Politik zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Kapitalismus und herrschende Politik als Krisenursachen

Reale Krisenursachen sind die Dynamik der Kapitalakkumulation und eine falsche, an Interessen von Kapitaleigentümern ausgerichtete, die Nachfrageseite vernachlässigende Politik. Regulierende Eingriffe sind nicht die Ursachen der Krisen, sondern Versuche der Gesellschaft, den sozialen und ökologischen Problemen und Krisen, die der Kapitalismus hervorbringt, entgegen zu wirken und ihre Folgen zu mildern. In den letzten Jahrzehnten ist der Widerspruch zwischen den produktiven Möglichkeiten der Menschen und der Wirklichkeit ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse immer größer geworden. Die Wirtschaft findet zu keinem dauerhaften Wachstumspfad. Ein sich selbst tragender Aufschwung, der zu einem deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit führen könnte, ist nicht in Sicht.

Die wachsende Massenarbeitslosigkeit und die Veränderungen in der Arbeitswelt haben zunehmend und nachhaltig die Position der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften in den Betrieben und in der Gesellschaft geschwächt. Die großen und exportorientierten Unternehmen steigern die Gewinne zugunsten ihrer Anteilseigner („Shareholder“) durch eine fortschreitende relative Senkung der Lohnkosten im Verhältnis zu ihrer Wertschöpfung, also durch verschärfte Ausbeutung.

Auf der anderen Seite schwächen die zu geringen Lohnzuwächse die Nachfrage auf dem Binnenmarkt, der für Wachstum und Beschäftigung ein weitaus größeres Gewicht als der Export hat. Darunter leiden die überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen, Handwerk und Dienstleistungen, die für den örtlichen und regionalen Markt produzieren.

Die herrschende Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hat diese Entwicklung aktiv vorangetrieben. Sie ist nicht nur ungerecht und vergrößert die sozialen Probleme, sie hat sich auch als schädlich für Wachstum und Beschäftigung erwiesen. Umverteilung von unten nach oben durch Gewinnförderung und Steuersenkungen, Abbau öffentlicher Dienste und sozialer Leistungen sowie verstärkter Druck auf die Lohnabhängigen schwächen die gesellschaftliche Nachfrage und vernichten Arbeitsplätze. Sie vergrößern zugleich die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und der Sozialkassen, die wiederum zur Begründung weiterer Ausgabenkürzungen dient. Steigende Profite führen nicht zu Investitionen in neue Arbeitsplätze, wenn es für zusätzliche Produkte keinen Absatz gibt. Zu geringe öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft gefährden zudem die künftigen Produktions- und Lebensbedingungen. Diese Entwicklung ist aber nicht einfach das Resultat einer ideologischen und politischen Offensive des Neoliberalismus, sondern hat materielle Hintergründe.

Das Ende des „Rheinischen Kapitalismus“

Auch die Phase des „Rheinischen Kapitalismus“ in der alten Bundesrepublik (West) war durch Klassenspaltungen, Profitsteuerung und Konkurrenz gekennzeichnet und keineswegs konfliktfrei. Aber durch den Druck der Lohnabhängigen und ihrer gewerkschaftlichen und politischen Vertretungen konnte ein Klassenkompromiss errungen werden, demzufolge staatliche Interventionen konjunkturelle Schwankungen reduzierten und die Wirkungen kapitalistischer Krisen minderten. Durch sozialstaatliche Leistungs- und Sicherungssysteme wurde der Druck auf die Lohnabhängigen gemindert, unter allen Umständen ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen. Es fanden Umverteilungen innerhalb der Lohnabhängigenklasse und in geringerem Umfang zwischen Kapital und Arbeit statt. Der Staat tätigte erhebliche öffentliche Investitionen. Dies bewirkte, dass in den Nachkriegsjahrzehnten Massenkonsum- und Investitionsnachfrage, Ausbau des Sozialstaats, Wirtschaftswachstum, Kapitalakkumulation und Vollbeschäftigung sich gegenseitig bedingten. Dem Kapitalismus wurden durch gesellschaftliche Regulierungen Schranken eingesetzt, die die Räume für menschliche Bedürfnisbefriedigung jenseits von Marktzwängen erweiterten.

Der Ausgangspunkt des Zurückdrehens dieser historischen Errungenschaften der Lohnabhängigen reicht in die Mitte der 1970er Jahre zurück. Der konsumtive Nachholbedarf der Nachkriegsentwicklung stieß an Grenzen, es kam zu Sättigungserscheinungen und wachsender Sparneigung. Das Investitionsniveau der Wiederaufbaujahre wurde nicht gehalten und verlief zudem gesellschaftlich unkoordiniert. Die Profitraten sanken. In den wirtschaftlichen Krisenphasen stieg die Arbeitslosigkeit schubweise immer höher und wurde in den Aufschwung-Phasen kaum abgebaut. Das nachlassende Wachstum reichte nicht mehr aus, um die rationalisierungsbedingte Freisetzung von Arbeitskräften auf neuen Beschäftigungsfeldern zu kompensieren. Schließlich gerieten auch die öffentlichen Finanzen und die Kassen der Sozialsysteme bei steigender Arbeitslosigkeit unter Druck.

In dieser Phase wäre es notwendig gewesen, die gesellschaftlich-demokratische Steuerung der Ökonomie über öffentliche Investitionslenkung, eine weitergehende Veränderung der Verteilungsverhältnisse auch zwischen Arbeit und Kapital, eine umfassende Demokratisierung der Ökonomie und eine stärkere öffentliche Kontrolle des nationalen und supranationalen Finanzsystems zu intensivieren. Die Voraussetzung hierfür: eine erfolgreiche Mobilisierung der Lohnabhängigen, war jedoch nicht gegeben. Vielmehr reagierte nur die Kapitalseite mit Entschlossenheit auf die abnehmende wirtschaftliche Dynamik, indem sie den Klassenkompromiss aufkündigte. Nationalstaaten wurden mit der Forderung unter Druck gesetzt, die Förderung einzelwirtschaftlicher Kapitalverwertung ins Zentrum der Politik zu stellen. In den Betrieben wie auch im politischen Raum wird seitdem ein verschärfter Klassenkampf von oben geführt, um Lohn und Sozialkosten zu senken und höhere Flexibilität und Anpassungsbereitschaft der Beschäftigten zu erzwingen. Dieser Klassenkampf bewegt sich auf dem Hintergrund weiterer gesellschaftlicher Veränderungen.

Stärkung des Finanzsektors

Die rückläufigen realen Wachstumsraten hatten eine zunehmende Konkurrenz der kapitalistischen Unternehmen um Marktanteile zur Folge. Unternehmen aller Länder suchten neue Verwertungsfelder vermehrt im Ausland – sei es durch neue Produktionsanlagen, durch finanzielle Beteiligungen an anderen Unternehmen oder Fusionen. Sie drängten daher auf die Liberalisierung der internationalen Finanzarchitektur. Unterstützung fanden sie durch individuelle sowie institutionelle Anleger, die weltweit neue Anlagemöglichkeiten suchten. Die Politik kam diesen Anforderungen nach, das internationale Finanzsystem wurde zunehmend liberalisiert. Mit der Auflösung der bisherigen Regulierungs- und Kontrollformen ging eine relative Verselbständigung der Finanzsphäre einher.

Unternehmen richten ihre Unternehmenspolitik verstärkt darauf aus, durch Überwindung von Raum und Zeit die Verwertung an verschiedenen Orten international zu optimieren. Die Wohlfahrtsstaaten wurden zunehmend in nationale Wettbewerbsstaaten umgeformt, die die Verbesserung der Verwertungsbedingungen von Unternehmen zum zentralen Ziel ihrer Politik erheben, um so Kapital ins eigene Land anzuziehen. Auch institutionelle Anleger wie z. B. Fonds richten ihre Anlagestrategien international aus. Beim Anlegerkapitalismus steht nicht mehr die Sicherung eines stabilen Zusammenhangs zwischen Lohnabhängigen, Managern, Zuliefer- und Absatzunternehmen im Zentrum. Stattdessen wird der Anspruch der Anleger auf hohe Kapitalrendite zum Leitbild unternehmerischen Handelns.

Die stärkere Rolle der Anleger gegenüber den Managern verschlechtert die Kampfbedingungen der Beschäftigten. Sie müssen ihre Ansprüche nun gegenüber Unternehmen durchsetzen, die sich der Steigerung des Unternehmenswerts für die Anteilseigner verpflichtet sehen und mit der Abwanderung ins Ausland drohen, wo vermeintlich bessere Verwertungsbedingungen existieren würden. Dass diese Drohung oft nur Bluff ist und die Verwertungsbedingungen im Ausland keineswegs immer besser sind, ändert nichts daran, dass die Verhandlungskraft der Lohnabhängigen so unter Druck gerät.

High Tech und Globalisierung

Eine Grundlage der Entwicklung zum flexiblen Kapitalismus war die mikroelektronische Revolution. Diese eröffnet mit ihren Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) neuartige und vor allem verbilligte räumliche Vernetzungen von Information, Kommunikation und Transport. Erst diese ermöglichen es den transnationalen Unternehmen, die Probleme unterschiedlicher Orte und Räume bei der Internationalisierung von Beschaffung, Leistungserstellung, Absatz und Investitionen zu überwinden.

Auch der „atmende Betrieb“ ist auf IKT angewiesen. Erst diese ermöglichen es ihm, trotz Ausgliederung von Teilbereichen des Unternehmens („outsourcing“) und trotz Flexibilisierung des Produktionsprogramms und der Arbeitsformen die bestellten Waren passgenau und rechtzeitig („just in time“) zu liefern. Schließlich gelingt es auch institutionellen Anlegern erst auf Grundlage der IKT, sich jederzeit über weltweite aktuelle Entwicklungen von Unternehmen zu informieren und ihre Investments, Käufe und Verkäufe jederzeit und an jedem Ort tagtäglich neu auszurichten.

Geschichtlicher Wandel

Der Wandel vom wohlfahrtsstaatlich regulierten Kapitalismus der Nachkriegsjahre hin zum flexiblen, finanzgetriebenen Kapitalismus heutiger Zeit darf nicht als Durchführung eines ausgeklügelten Masterplans der Kapitalseite missverstanden werden. Vielmehr handelt es sich um einen schleichenden Prozess, in dem allmählich und auf passive Art und Weise eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse stattfand. Geschichte wird zwar von widerstreitenden Kräften gemacht, die jeweils interessengeleitet und bewusst agieren, aber diese können sich neutralisieren. Geschichte findet immer auf Basis vorgefundener gesellschaftlicher Strukturen und Kräfteverhältnisse statt, die sich nur langsam ändern. Sie lässt sich nicht einfach auf den bewussten Plan abgestimmt handelnder Unternehmen und Organisationen zurückführen. Gesellschaft, Staat und Politik sind umkämpfte Räume, in denen die jeweiligen Positionen sich langsam verändern können. Auch eine Umkehr der bestehenden Verhältnisse muss längerfristig angelegt sein.

Das Ende des Staatssozialismus

Das Ende des Staatssozialismus hat die Kräfteverhältnisse zuungunsten der internationalen ArbeiterInnen-Bewegung verändert. Hierdurch entstanden für die Linke gleich mehrere Probleme. Zum einen brach das politische Gegengewicht zur kapitalistisch ausgerichteten Welt zusammen, das neben allen zurecht kritisierten Defiziten auch Errungenschaften vorzuweisen und zur Stabilisierung der Weltpolitik beigetragen hatte. Zum anderen hatte die Systemkonkurrenz die Regierungen und Unternehmen der „rheinisch-kapitalistischen“ Länder, vor allem des Ex-Frontstaats BRD, zu politischen und sozialen Zugeständnissen gezwungen. Diese Zugeständnisse sollten die Akzeptanz des Kapitalismus bei der Bevölkerung fördern. Mit dem Ende der Systemkonkurrenz entfiel dies. Zudem wurden ehemals staatssozialistisch regulierte Regionen der Welt dem globalen Expansionstrieb kapitalistischer Verwertung ausgesetzt und politische Schranken abgebaut. All dies hat die Linke in West und Ost erheblich geschwächt.

III. Soziale Kämpfe und die neue Linke

Änderungen gesellschaftlicher Kampfbedingungen

Der moderne Kapitalismus zwingt die Gewerkschaften – wie auch andere soziale Bewegungen –, neue Strategien und Aktionsformen zu entwickeln. Massenarbeitslosigkeit und der Niedergang ihrer traditionellen Hochburgen führten zu Mitgliederverlusten. Zugleich werden die Bedingungen für solidarisches Handeln schwieriger. Die Abnahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, die Angst vor sozialem Abstieg und die Zunahme der Konkurrenz innerhalb der Belegschaften erschweren gemeinsames Handeln in den Betrieben. Trotzdem sind Streiks möglich. Gewerkschaften beginnen neue gesellschaftliche Bündnisse zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu bilden.

Seit den 1990er Jahren entstanden neue soziale Bewegungen wie Attac und Sozialforen, die den Neoliberalismus und die Globalisierung kritisieren. Der Angriff auf Jugoslawien und die folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen führten zu einem Aufschwung friedenspolitischer Aktivitäten. Arbeitslose und Prekarisierte melden sich mit Aktionen wie Montagsdemos, St. Prekarius u. a. zu Wort. Die neuen sozialen Bewegungen konnten, vor allem wenn es zu einem Bündnis mit den Gewerkschaften kam, beachtliche Mobilisierung erreichen. Allerdings sind soziale Bewegungen immer Konjunkturen unterworfen.

Gleichzeitig entwickelte sich, vor allem in Westdeutschland, das gesellschaftliche Bedürfnis nach einer neuen Partei. Die neoliberal geprägte SPD verlor hunderttausende Mitglieder. Auch unzufriedene Grüne und Anhänger der CDA verließen ihre Parteien. Die Idee des Sozialstaats wurde von keiner bundesweit relevanten Partei mehr aufgegriffen. Die sozialen Interessen von ArbeitnehmerInnen, Erwerbslosen, kleinen Selbständigen, Prekarisierten fanden keine politische Vertretung. Diese gesellschaftliche Situation führte zur Gründung der WASG, die bereits bei ihrem ersten Wahlantritt in NRW ein respektables Ergebnis erreichte. Die inhaltliche Nähe zur PDS und die Notwendigkeit und Möglichkeit einer starken geeinten Linken in Deutschland führten zu einem gemeinsamen Wahlantritt und der Perspektive einer neuen linken Partei.

Für eine neue, vereinte Partei der Linken!

Die Aussicht auf eine neue, vereinte linke Partei wird honoriert. Die steigenden Mitgliederzahlen sowohl bei WASG als auch bei Linkspartei.PDS und mehr als 4 Millionen Stimmen bei den Bundestagswahlen sind hierfür ein Indiz. Der Wahlerfolg war maßgeblich darin begründet, dass die Menschen schon heute die beiden Parteien nicht isoliert, sondern als Bestandteile eines zu vereinigenden Ganzen betrachten. Sie erwarten von der Linken eine neue produktive Kultur von Gemeinsamkeit und solidarischer Auseinandersetzung, die sich abhebt von altbekannter Spalterei. Bei der Wahl wurden überdurchschnittliche Stimmenanteile bei Arbeitslosen und gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten erzielt. Das lässt auf eine starke Verankerung der neuen Partei in der Arbeitnehmerschaft hoffen.

Die Mitglieder der neuen linken Partei werden unterschiedliche Traditionen der Linken einbringen. Ehemalige SozialdemokratInnen, SozialistInnen, KommunistInnen, linke Grüne, linke Christen, Mitglieder und Aktive unterschiedlicher sozialer Bewegungen und Gewerkschaften werden die neue Partei bilden. Dazu gehören auch Menschen, die sich nicht als SozialistInnen verstehen.

Die neue Partei wird die historische Spaltung der ArbeiterInnen-Bewegung in die beiden Hauptströmungen Sozialdemokraten und Kommunisten in sich überwinden. Die Grundlagen dieser Spaltung – an den Fragen von Reform oder Revolution, der Haltung zum imperialistischen Krieg und zur Sowjetunion – sind entfallen oder spielen heute nicht mehr die entscheidende Rolle. Schon lange haben sich im Westen kritische und realistische Reform-KommunistInnen, linke SozialdemokratInnen und linke Grüne politisch untereinander und den Positionen der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in vielem näher gestanden als den Führungen ihrer jeweiligen Parteien. Das war bzw. ist eine der Grundlagen der Bildung der WASG. Die PDS wiederum hat ihre stalinistische Vergangenheit glaubhaft aufgearbeitet und positioniert sich heute als Partei des demokratischen Sozialismus, ohne dabei ihre kommunistischen Wurzeln und Bestandteile abzuspalten.

Allen ist klar, dass ein erneuter Anlauf einer sozialistischen Umgestaltung sich nicht am gescheiterten Modell der Sowjetunion und der DDR orientieren kann. Die DDR war ein legitimer Versuch, auf deutschem Boden eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen. Sie hat beachtliche Erfolge in der Herstellung sozialer Gerechtigkeit, im Bildungswesen und der Erwerbstätigkeit der Frauen erreicht. Auf der anderen Seite stehen jedoch auch die Unterdrückung von Opposition und der Mangel an Rechtsstaatlichkeit. Gescheitert ist die DDR letztlich an mangelnder Demokratie und ineffizienter Ökonomie.

Aber auch die Erfahrungen und Erfolge der sozialdemokratischen Wohlfahrts- und Sozialstaatsmodelle können nicht einfach fortgeschrieben, sondern müssen auf eine neue Basis gestellt und mit einer antikapitalistischen Perspektive verbunden werden. Die sozialdemokratischen Parteien und ihre „New Labour“-Modelle haben sich stattdessen der neoliberalen Offensive gebeugt und darauf reduziert, unter diesen Bedingungen sozialstaatliche Restbestände zu wahren. Sie haben damit faktisch der Demontage des Sozialstaats Vorschub geleistet und sie aktiv mit betrieben.

Aufgaben der neuen, vereinten Partei der Linken

Ohne eine offensiv geführte Auseinandersetzung mit Ideologie und Politik des Neoliberalismus und ohne die Mobilisierung breiter gesellschaftlicher Gegenkräfte wird die Linke nicht aus der Defensive kommen. Die neue Linke muss also die fortschrittlichen Traditionen der Sozialdemokratie aufnehmen, aber über sie hinausgehen. Zugleich muss sie mit Sektierertum und Avantgardeansprüchen brechen, die sich im Unkonkreten verlieren und soziale Verbesserungen auf ein historisches Jenseits verschieben. Die neue Linke muss im Hier und Jetzt beginnen und zugleich darüber hinausweisen und bereit sein, die historisch vorgefundenen Verhältnisse in Frage zu stellen.

Eine neue linke Partei im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts muss parteilich und kämpferisch sein. Sie muss realistisch von der Gesellschaft und den Menschen ausgehen, wie sie sind, aber gleichzeitig muss sie radikal – an die Wurzel gehend – die Verhältnisse in Frage stellen und auf Alternativen hinarbeiten, die strukturell soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten.

Die neue linke Partei hat die Aufgabe, als politischer Akteur die Kräfteverhältnisse in dieser Gesellschaft in eine progressive Richtung zu verändern. Dies bedeutet, in klassenpolitischen Kategorien zu denken, sich gegen das Kapital und seine neoliberalen Ideologen zu positionieren und parteilich mit abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen, Prekarisierten, kleinen Selbständigen und ihren Familien zu sein. Dies bedeutet auch, den Kampf gegen den Neoliberalismus um die Vorherrschaft im Denken und Fühlen der Menschen, den Kampf um inhaltliche und kulturelle Hegemonie, aufzunehmen. Wir setzen dem neoliberalen Menschenbild eines egoistischen, konkurrenzbetonten Menschen ein soziales, solidarisches Menschenbild entgegen.

Die neue linke Partei muss die neoliberale Politik auf deren eigenem Terrain angreifen und den neuen Möglichkeiten und Chancen nachspüren, die in der geänderten Arbeitswelt, der Produktion und der Gesellschaft entstanden sind. Wir müssen als Linke den Kampf um die Deutungshoheit von Begriffen wie Freiheit, Solidarität, Eigenverantwortung und Demokratie aufnehmen, die von den Neoliberalen zur Durchsetzung ihrer Ideologie benutzt werden.

Eine der Hauptaufgaben der neuen linken Partei muss die Wiederherstellung und Neukonstruktion von Solidarität unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts an. Die neue linke Partei hat dafür zu arbeiten, dass im Alltagsleben und im Alltagsbewusstsein solidarische Werte und Ziele wieder ihre Bedeutung erlangen. Hierbei hat die neue linke Partei die Notwendigkeit und die Möglichkeiten einer Alternative zum Kapitalismus sowie den Begriff des „Demokratischen Sozialismus“ neu zu diskutieren. Die Debatte um die Utopie einer nicht kapitalistisch bestimmten Gesellschaft darf aber nicht den Kampf für die Verbesserung der Alltagsbedingungen im Hier und Jetzt in den Hintergrund treten lassen. Die Menschen brauchen und wollen eine Politik, die von ihren unmittelbaren Interessen ausgeht und aktuelle umsetzbare Konzepte anbietet.

Die neue linke Partei muss eine Partei sein, in der Leitungsorgane und Mitglieder gemeinsam die Politik gestalten. In der Gesellschaft wollen wir unsere Politik gemeinsam mit den Menschen entwickeln, für die wir uns einsetzen. Wir sehen die Menschen als selbständige Subjekte an, die ihre Interessen bei der Entwicklung politischer Forderungen und Entscheidungen artikulieren. Wir haben nicht den Anspruch, allein- oder besserwissend, als ihr Stellvertreter und mit einer fürsorgerischen Haltung Politik für andere zu machen. Die neue linke Partei muss daher geregelte Verfahren entwickeln, damit die Menschen, die von politischen Forderungen und Entscheidungen betroffen sind, in allen Phasen der Meinungsbildung ihre Interessen formulieren und einbringen können.

Die neue linke Partei muss pluralistisch sein. Unterschiedliche Meinungen sind nicht nur zu tolerieren, sondern eine notwendige Voraussetzung für eine produktive und konstruktive Entwicklung von Politik. Die neue linke Partei muss die Einbeziehung aller Mitglieder in die Entwicklung der Politik organisatorisch sicherstellen. Innerparteiliche Demokratie bedeutet für uns jedoch nicht Beliebigkeit, sondern ein Gleichgewicht zwischen Mehrheitsentscheidungen und Minderheitenschutz, damit die Partei handlungsfähig ist. Dazu sind klare Regelungen zu treffen.

Die neue linke Partei muss für Geschlechtergerechtigkeit stehen und dies mit klaren Satzungs- und Verfahrensrechten der Frauen innerhalb der Partei regeln und praktizieren. In der neuen linken Partei müssen sich Ost wie West mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Interessen wiederfinden, ehemalige Mitglieder von Linkspartei.PDS und WASG sowie Menschen, die bisher in keiner oder anderen Parteien aktiv waren. Der Aufbau der Partei muss auf der Basis der Gleichberechtigung von WASG und Linkspartei.PDS und einer weitgehenden Parität zwischen Ost und West erfolgen. Die neue Linke muss für einen effektiven und konstruktiven Dialog mit Gewerkschaften, alten und neuen sozialen Bewegungen und außerparlamentarischer Opposition, mit linker Kultur und kritischer Wissenschaft stehen. Dieser Dialog muss auf allen Ebenen organisiert und gefördert werden, wozu geeignete Strukturen geschaffen werden müssen. Notwendig sind zudem mit der Partei verbundene demokratisch organisierte Strukturen für die eigenständige Aktivität von linken Jugendlichen und Frauen.

Voraussetzung für politisches Handeln und Aufklärung der Bevölkerung ist eine permanente Selbstaufklärung in der neuen linken Partei. Eine neue Linke muss für qualifizierte, handlungsorientierte und kontinuierliche innerparteiliche Bildungsarbeit sorgen.

IV. Antikapitalismus und Reformalternativen

Eine neue Linke will den Anspruch aller Menschen auf ein freies, selbst bestimmtes Leben und Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand durchsetzen. Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor für Männer und zunehmend auch für Frauen die Erwerbstätigkeit als Bedingung und Grundlage für vielfältige andere Tätigkeiten. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass bei steigender Zahl der Erwerbstätigen das gesellschaftliche Arbeitsvolumen tendenziell rückläufig ist und die Menschen sich nicht über Erwerbsarbeit allein definieren.

Männer wie Frauen wollen eigenständig existenzsichernde und qualifikationsgerechte Einkommen, aber ebenso die Entfaltung und das sinnvolle Einbringen persönlicher Kompetenzen sowie soziale Anerkennung und Einbindung. Gerade weil Lohnarbeit und auch die selbständige Arbeit im Kapitalismus von Ausbeutung und Entfremdung sowie patriarchalischen Verhältnissen geprägt sind, sind soziale Gestaltung und individuelle Spielräume auch innerhalb der Erwerbsarbeit zentral.

Infolge erzielter Produktivitätssteigerungen ist immer weniger menschliche Arbeitszeit nötig, um ein gleich bleibendes Niveau produzierter Güter und Dienstleistungen zu erzeugen. Diese Entwicklung kann bei entsprechender Nachfrage umgesetzt werden in eine Ausdehnung der Menge produzierter Güter und Dienstleistungen oder zur Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit. Grundsätzlich begrüßen wir Linke also Produktivitätsfortschritt, denn sowohl bessere Güterversorgung als auch mehr Zeitwohlstand nutzen den Menschen. Deshalb fordert die neue Linke öffentlich regulierte Nachfragepolitik sowie kollektive Erwerbsarbeitszeitverkürzungen mit vollem Lohnausgleich. Denn die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit – auch die unbezahlte Arbeit in Familien und anderen Gemeinschaften – muss möglichst gleichmäßig auf alle Arbeitsfähigen verteilt werden, anstatt die einen zur Überarbeit zu verdammen und die anderen von der Erwerbsarbeit auszuschließen.

Durch diese Strategie wird das Zeitkontingent der Menschen für Aktivitäten außerhalb der Lohnarbeit erhöht: für Arbeit in privaten Zusammenhängen, für gesellschaftliches Engagement und für eigene Interessen. In diesem Sinne wollen wir die technischen Fortschritte nutzen für eine Übersetzung in sozialen, kulturellen und demokratischen Fortschritt. Die Arbeitszeiten dürfen also nicht verlängert, sondern müssen verkürzt und stärker nach den Bedürfnissen der Beschäftigten gestaltet werden. Arbeit für alle, aber weniger Arbeit für die Einzelnen – das wollen wir als neue Vollbeschäftigung.

Massenarbeitslosigkeit verschärft die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen und mindert die Möglichkeit sozialer Gestaltung. Angst um Arbeit und Einkommen greift um sich. Das schwächt grundlegend die Position der Beschäftigten und der Erwerbslosen in den Betrieben und in der Gesellschaft. Die verfestigte Massenarbeitslosigkeit ist der Hintergrund der anhaltenden Defensive der Gewerkschaften, der fortschreitenden Umverteilung von unten nach oben und des Abbaus sozialer Errungenschaften. Die Deregulierung der Arbeitsverhältnisse verstärkt im Interesse des Kapitals diesen Druck noch.

Die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit ist daher die zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung und Bedingung sozialen Fortschritts. Es ist die Erwerbsarbeit, die in letzter Instanz alle Einkommen schafft und deren steigende Produktivität wachsenden Wohlstand ermöglicht. Alle Kapitaleinkommen beruhen letztlich auf Ausbeutung von Erwerbsarbeitskraft. Der Sozialstaat beruht auf der solidarischen Umverteilung der in Erwerbsarbeit geschaffenen Werte – egal wie seine Finanzierung konkret organisiert ist.

Alternative Wirtschaftspolitik

Wir brauchen einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Deutschland lebt gegenwärtig nicht über, sondern unter seinen Möglichkeiten. Moderne Produktionsanlagen und Infrastruktur bleiben ungenutzt, qualifizierte Arbeitskräfte stehen auf der Straße. Sie werden nicht eingesetzt, weil ihre Produkte keine Käufer finden und öffentliche Dienstleistungen immer weiter eingeschränkt werden. Uns allen könnte es besser gehen, wenn wir diese Ressourcen nutzen würden. Doch gerade bei denen, die gerne mehr nachfragen würden, aber zu wenig Geld haben, wird weiter gekürzt, und die öffentlichen Finanzen werden durch Steuergeschenke an Konzerne und Reiche weiter ruiniert.

Alternative Wirtschaftspolitik muss die inländische Nachfrage stärken und für ein sozial und ökologisch gesteuertes, qualitatives Wachstum sorgen. Die Sozialistische Linke fordert deshalb ein groß angelegtes öffentliches Zukunfts- und Investitionsprogramm in Bildung, soziale, ökologische und Verkehrsinfrastruktur. Die öffentliche und öffentlich finanzierte Beschäftigung in diesen Bereichen ist massiv auszuweiten. So können Millionen neue sozialversicherte und tariflich bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden, insbesondere in Ostdeutschland und anderen strukturschwachen Regionen.

Den öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Sektor der Wirtschaft wollen wir stärken und ausbauen. Wir leisten Widerstand gegen die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge in staatlicher Hand und im Non-Profit-Sektor. Die Neoliberalen behaupten, nur so könnten Beschäftigungsmöglichkeiten in der Dienstleistungsgesellschaft geschaffen werden.

Tatsächlich kann aber nur ein massiver Ausbau sozialstaatlich organisierter und finanzierter Dienstleistungen die Potenziale für hochwertige Dienstleistungen und mehr Beschäftigung im Interesse der Menschen entfalten. Das zeigen positive Beispiele etwa in den skandinavischen Ländern. Den öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Sektor der Wirtschaft wollen wir deshalb stärken und ausbauen.

Notwendig ist hierfür, die öffentliche Finanzkrise durch höhere Einnahmen bei stärkerem Wachstum und einer gerechten Steuerpolitik zu bewältigen. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Konzerne und andere profitable Unternehmen müssen wieder mehr Steuern zahlen. Steuerschlupflöcher für Vermögende und Großverdiener wollen wir schließen und den Spitzensteuersatz auf mindestens 50 Prozent anheben. Reiche müssen durch eine Vermögensteuer und höhere Erbschaftssteuern verstärkt herangezogen werden. Zudem müssen wir Widerstand dagegen leisten, dass auf EU-Ebene durch Verfassungsnormen und eine Dienstleistungsrichtlinie die Privatisierung staatlicher und gemeinwirtschaftlicher Dienstleistungen juristisch zementiert und ökonomisches Handeln der öffentlichen Hand der Wettbewerbs- und der Profitmaximierungslogik unterworfen wird.

Wir wollen die sozialen Schutzrechte der abhängig Arbeitenden und ihre Position bei der Durchsetzung guter Einkommen und Arbeitsbedingungen stärken. Tarifverträge müssen leichter als bisher für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Das Entsendegesetz muss künftig für alle Branchen vorschreiben, dass für alle Arbeitenden die Standards des Arbeitsortes gelten. Öffentliche Aufträge dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die die Tarifverträge einhalten. Deshalb fordern wir eine Ausweitung des Tariftreuegesetzes und der Entsenderichtlinie. Ebenso fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn in existenzsichernder Höhe, der nirgendwo unterschritten werden darf. In der Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohnes sehen wir auch einen Schritt zum Stopp neoliberaler Politik, da der Marktsteuerung Grenzen gezogen werden und die Verteilungskämpfe wieder verstärkt ins Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung rücken.

Mehr Wachstum und Beschäftigung durch eine alternative Wirtschaftspolitik stärken zugleich die Position der Lohnabhängigen im alltäglichen Klassenkampf. Eine gerechtere Verteilung schafft zugleich mehr Beschäftigung, weil niedrige Einkommen in stärkerem Maße als hohe nachfragewirksam ausgegeben werden, anstatt in Finanzanlagen zu fließen. Nur wenn die Löhne regelmäßig zumindest so stark steigen wie Produktivität plus Preise, entsteht genügend Kaufkraft für mehr Arbeitsplätze.

Wir wollen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich auf Gruppen konzentriert, die besonders schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor aufbauen, in dem ihnen sinnvolle und tariflich bezahlte Arbeitsplätze angeboten und zugleich soziale, kulturelle und ökologische Bedarfe befriedigt werden, die der Markt nicht abdeckt.

Alternative Sozialpolitik

Freiheit, Selbstbestimmung und demokratische Mitgestaltung erfordern soziale Sicherheit. Allen Mitgliedern der Gesellschaft müssen Wohnung und Lebensmittel, Bildung, medizinische Leistungen und Pflege, Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, kulturelle Angebote und Mobilität zur Verfügung stehen. Wessen Einkommen oder Vermögen bei Erwerbslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und im Alter dazu nicht ausreicht, muss eine bedarfsgerechte soziale Grundsicherung erhalten. Niemand darf in Armut fallen.

Es ist ein Skandal, wie in der Gesellschaft Erwerbslose drangsaliert und die Opfer einer sozial rücksichtslosen Wirtschaftsordnung zu Schuldigen gestempelt werden. Die Verschlechterungen durch die „Hartz-Gesetze“ müssen zurückgenommen werden. Zumutbare Arbeitsangebote müssen die Qualifikation berücksichtigen und tariflich bezahlt sein.

Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle verkennt die zentrale Bedeutung der Erwerbsarbeit und lenkt von der Aufgabe des Abbaus der Arbeitslosigkeit ab. Sie ist in existenzsichernder Höhe völlig illusorisch und mit dem Risiko verbunden, Türen für neoliberale Bürgergeld- und Kombilohnkonzepte zu öffnen. Sie entspricht nicht den Gerechtigkeitsvorstellungen der meisten Menschen und spaltet die Basis der Linken. Wir lehnen sie als desorientierend ab und fordern stattdessen eine bedarfsgerechte soziale Grundsicherung. Deren Leistungsniveau muss deutlich höher und die Anspruchsvoraussetzungen müssen deutlich großzügiger und repressionsfreier als heute sein.

Wir wollen sichere und auskömmliche Renten, die eine weitgehende Erhaltung des erarbeiteten Lebensstandards ermöglichen. Finanzielle Belastungen durch einen wachsenden Anteil Älterer an der Bevölkerung müssen solidarisch von allen getragen werden, statt sie einseitig durch Rentenkürzungen abzuwälzen. Wir wollen ein hochwertiges und soziales Gesundheitswesen und eine menschenwürdige Pflege. Die gesamte Bevölkerung muss sozial krankenversichert sein und alle medizinisch notwendigen Leistungen müssen von der Versicherung bezahlt werden.

Die Finanzierung des Sozialstaats wollen wir sicher und gerechter gestalten, indem alle Bevölkerungsgruppen und alle Einkommen in eine solidarische und paritätisch finanzierte Bürgerversicherung einbezogen werden. Ergänzend können ein Wertschöpfungsbeitrag der Arbeitgeber und die Ausweitung sozial gerechter Steuerfinanzierung sinnvoll sein.

Progressive Gesellschaftspolitik und Demokratisierung

Bildung begreifen wir als legitimen Anspruch jedes Menschen. Erst eine breite Bildung macht eine wissensbasierte Ökonomie zukunftsfähig, wohingegen Elitebildung Ressourcenverschwendung bedeutet. Schulen und Hochschulen sind daher öffentlich und demokratisch zu organisieren und gebührenfrei zu finanzieren. Sie sollen umfassende Kompetenzen und breite berufliche Qualifikationen vermitteln, Persönlichkeitsentwicklung und Kritikfähigkeit fördern. Um Förderung statt Auslese sowie soziale Integration und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, sind ein einheitliches Ganztagsschulsystem und vorschulische Erziehung für alle notwendig. Für ein flächendeckendes und auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot ist eine Umlagefinanzierung der beruflichen Bildung notwendig. Der freie Zugang zu Wissen und Informationen muss – unter Achtung von Urheberrechten – gewährleistet werden. Die neue linke Partei muss Rassismus und Antisemitismus bekämpfen. Sie muss sich für Menschen unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und Pass einsetzen und sie zur gesellschaftlichen Mitgestaltung einladen. Die neue linke Partei steht für Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter und wird diesen Anspruch innerparteilich umsetzen. Die neue linke Partei steht dafür, dass unterschiedliche sexuelle Orientierungen als individuelles Recht akzeptiert werden und als Ausdruck von Selbstbestimmung gelten.

Die gesellschaftliche Dominanz von Männern über Frauen und jede Diskriminierung von Menschen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik wollen wir überwinden. Durch sozialstaatliche Regelungen und Dienstleistungen sind gleiche Chancen für Männer und Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Eingewanderte und ihre Nachkommen brauchen gleiche und gesicherte Rechte sowie umfassende Hilfen zur Integration.

Selbstbestimmung in der Gesellschaft erfordert Demokratie. Die Linken wollen deshalb demokratische Kontrolle und Mitbestimmung in der Wirtschaft, in den Massenmedien, in Bildung und Wissenschaften und anderen Gesellschaftsbereichen ausbauen. Damit Demokratie keine leere Hülle wird, brauchen Kommunen und Staat hinreichende finanzielle Mittel und Einwirkungsmöglichkeiten auf wirtschaftliche und soziale Prozesse.

Auch deshalb wehren wir uns gegen die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge und sozialer Sicherungssysteme und stehen wir für eine Stärkung gesellschaftlichen Eigentums, insbesondere im Bereich sozialer, kultureller, netzgebundener und Bildungsdienstleistungen. Genauer klären müssen wir das Verhältnis zwischen zentraler und dezentraler staatlicher sowie gemeinwirtschaftlicher Versorgung im Non-Profit-Sektor. Die demokratischen Freiheitsrechte müssen umfassend gewährleistet und Formen direkter Demokratie ausgeweitet werden. Wie in vielen anderen Ländern muss es ein Recht auf politischen Streik und Generalstreik geben.

Wir beziehen uns positiv auf den Parlamentarismus als wichtige politische Instanz neben anderen wie Strukturen betrieblicher Demokratie. Gegen die Versuche neoliberaler Entmachtung der Parlamente treten wir für eine Stärkung der Parlamente als demokratische Entscheidungsgremien ein. Dies steht nicht im Gegensatz zum gleichzeitig positiven Bezug auf außerparlamentarische Aktivitäten und die Versuche der Menschen, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Zugleich sind erweiterte Möglichkeiten direkt demokratischer Entscheidung durch Volksbegehren und Volksabstimmungen zu schaffen.

Umgestaltung der internationalen Verhältnisse

Wir müssen den Verbrauch von Rohstoffen und Energie und den Ausstoß von Schadstoffen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten drastisch vermindern. Die Wirtschaft der Zukunft muss auf der Nutzung der Sonne und anderer erneuerbarer Energien und Rohstoffe beruhen. Atomenergie ist unverantwortlich. Infrastruktur, Wirtschafts- und Lebensweise müssen grundlegend ökologisch umgebaut werden. Dazu sind gesetzliche Vorgaben und öffentliche Investitionen ebenso erforderlich wie ökonomische Anreize. Denn die kapitalistische Wirtschaft ist nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur gegenüber rücksichtslos. Besonders drastisch zeigt sich das in den ärmeren Ländern der Erde.

Die Ordnung der Weltwirtschaft und insbesondere der Finanzmärkte muss grundlegend reformiert werden. Es geht nicht um nationale Abschottung, sondern um soziale und ökologische Gestaltung in demokratischer Kontrolle. Insbesondere die Aktivitäten transnationaler Konzerne müssen strengen Regeln und Kontrollen unterworfen werden. Weltweit müssen soziale und ökologische Mindeststandards eingehalten werden. Ärmere Länder müssen dabei unterstützt werden.

Die EU muss eine demokratische, soziale und zivile Macht werden, die international für die Beachtung sozialer und ökologischer Standards, für gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung der globalen Probleme und für solidarische Unterstützung der ärmeren Länder und ihrer Entwicklung eintritt. Hoher Beschäftigungsstand und soziale Rechte müssen Vorrang vor kapitalorientierter Liberalisierung haben. Dazu müssen die Verträge und Richtlinien grundlegend reformiert und die Institutionen demokratisiert werden. Bis dahin müssen nationale Regelungsmöglichkeiten verteidigt werden. Wir fordern eine europäisch koordinierte Politik für qualitatives Wachstum und Beschäftigung, insbesondere ein gemeinsames europäisches Zukunftsinvestitionsprogramm für Arbeit und Umwelt sowie eine Mindestbesteuerung von Kapitalerträgen und Unternehmensgewinnen.

Imperiale Politik, die Missachtung und willkürliche Unterordnung der Interessen anderer Nationen lehnen wir ab. Die Vereinten Nationen und die anderen internationalen Organisationen müssen demokratisiert werden. Menschenrechte und Völkerrecht müssen von allen beachtet werden. Interessen müssen mit friedlichen Mitteln verfolgt werden. Von deutschem bzw. europäischem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Wir setzen uns für das Verbot und die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen, für weltweite Abrüstung und Gewaltverzicht ein. Zudem fordern wir eine Intensivierung der Konfliktforschung und die Entwicklung ziviler Konfliktlösungsstrategien.

Sozialistische Perspektiven

Um einen neuen, demokratisch gesteuerten, sozial und ökologisch ausgerichteten Entwicklungsweg der Gesellschaften durchzusetzen, muss die Vorherrschaft des Kapitals, insbesondere der großen und international operierenden Konzerne und Fonds überwunden werden. Entscheidend ist der Ausbau der Wirtschaftsdemokratie und insbesondere die demokratische Regulierung und Kontrolle der Finanzfonds. Alle Formen des Eigentums an konzentrierten Produktionsmitteln sind öffentlicher demokratischer Kontrolle und der Mitbestimmung der Beschäftigten zugänglich zu machen.

Wir wollen den Kapitalismus, die Dominanz kapitalistischer Produktion und Interessen für die gesellschaftliche Entwicklung überwinden. Die Grundrichtungen der wirtschaftlichen Entwicklung dürfen nicht nur dem Markt und den privaten Unternehmen überlassen, sondern müssen demokratisch gesteuert werden. Erforderlich sind starke und zielgerichtete öffentliche Investitionstätigkeit und Nachfragesteuerung sowie leistungsfähige öffentliche Unternehmen. Moderner Antikapitalismus und demokratischer Sozialismus verbinden Erkenntnisse auf der Basis von Marx und von Keynes, statt sie gegeneinander zu stellen.

Wenn es zur Durchsetzung demokratisch festgestellter Ziele erforderlich ist, sind Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft zu überführen, wie es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorsieht. Von zentraler Bedeutung, um die Vorherrschaft des Kapitals zu überwinden, ist eine demokratische Vergesellschaftung des Finanzsektors. Eine Verfassung der Europäischen Union muss die Möglichkeiten einer demokratischen Gestaltung der Wirtschaft gewährleisten.

Der nächste Anlauf zur Überwindung der Vorherrschaft des Kapitals wird Neuland betreten. Alte Antworten sind hinfällig, das neue Gelände ist nicht ausreichend vermessen, und in den kommenden Auseinandersetzungen müssen wir uns auf die richtigen Forderungen und neue Strategien einigen. Auch wir haben auf viele Fragen noch keine Antworten.

V. Eine gewerkschaftlich orientierte, sozialistische Strömung bilden!

Wir halten die Bildung einer sozialistischen linken Strömung für notwendig, die realistisch, kritisch, radikal und klassenorientiert zugleich ist, also von den Interessen der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung ausgeht. Keine andere bisher hervorgetretene Strömung in der neuen Linken wird diesem Anspruch gerecht.

Wir kritisieren, dass die Bedürfnisse des Menschen im Kapitalismus nur dann von Bedeutung sind, wenn mit ihnen Gewinn erzielt werden kann. Wir kritisieren den Kapitalismus, der noch immer Krisen, Ungleichverteilung, Armut, Not und ökologische Zerstörung produziert. Mit Marx kritisieren wir die Herrschaft der kapitalistischen Verhältnisse über die Menschen. In sozialistischer Tradition engagieren wir uns für eine solidarische Gesellschaft, in der wir Menschen unsere Verhältnisse bewusst und menschengerecht regeln. Anstelle abstrakter Utopien nehmen wir die Potenziale der heutigen Gesellschaft selbst zum Ausgangspunkt, um die Gesellschaft umfassend zu verändern. Wir flüchten uns nicht in ausschließliches Streben nach einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft, sondern wir werden uns für ein linkes Reformprojekt einsetzen, das im Hier und Jetzt ansetzt und davon ausgehend über die gegenwärtigen Verhältnisse hinausweist.

Anders als links-utopistische Strömungen betonen wir, dass es nicht ausreicht, Veränderungen nur zu wollen und seine Wünsche möglichst laut heraus zu posaunen. Ein solcher aufs bloße Wollen verengter Ansatz blendet gesellschaftliche Strukturen, die dem menschlichen Handeln einen Rahmen setzen, genauso aus wie das Alltagsbewusstsein der Menschen. Vielmehr müssen wir schon heute an fortschrittlichen gesellschaftlichen, politischen und öffentlichen Strukturen ansetzen und sie den Bedürfnissen des Menschen entsprechend weiter entwickeln und verändern. Hierfür ist der Bruch mit neoliberalen politischen Deutungs- und Regulierungsformen zentral. Es ist unsere Aufgabe, an der Aufklärung und Kommunikation über gesellschaftliche Zusammenhänge mitzuwirken, so dass die Menschen selbstbewusst und emanzipiert eine solidarische Gesellschaft anstreben können. Erst eine gleichzeitige Veränderung der Zustände und des Denkens ermöglicht die Überwindung der bereits Brüche aufweisenden neoliberalen Hegemonie.

Wir grenzen uns ab gegenüber Ansätzen in der neuen Linken, die sich in den Verhältnissen einrichten und lediglich in diesem Rahmen die Probleme lindern wollen. Wir lehnen die Auffassung ab, dass linke Politik sich auf gemäßigte und sofort machbare Forderungen beschränken müsse. Unzumutbare Zustände aufzuheben, muss Ziel linker Politik bleiben. Dabei bestreiten wir nicht die Existenz gesellschaftlicher Zwänge. Aber wir kämpfen dafür, die durch die Menschen teils bewusst, teils unbewusst gesetzten Zwänge in den Griff zu bekommen, zunächst teilweise aufzuheben und schließlich zu überwinden.

Reformen und der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft sind kein Gegensatz. Denn ökonomisch- soziale Regulierungen, kollektiv-sozialstaatliche Strukturen sowie die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie bergen ein Potenzial in sich, das auch in einer sozialistischen Gesellschaft von Bedeutung sein wird. Zudem verbessern diese Reformen die reale Lage der Menschen. Solche Erfolge sind ein Signal dafür, dass ein anderes Leben und Arbeiten möglich ist als das vom Kapital diktierte. Sie stärken das Selbstbewusstsein der ArbeiterInnen- und anderer fortschrittlicher Bewegungen und können Ausgangspunkt für weitergehende Veränderungen dieser Gesellschaft sein.

Mit Blick auf das Verhältnis von linkem Parlamentarismus und zivilgesellschaftlichen Organisationen reicht es nicht aus, dass linke Parteien die Ergebnisse ihrer parlamentarischen Politik nur publizieren, sondern sie müssen sie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen vorbereiten. Der Dialog mit den Betroffenen und das Einbeziehen ihrer Vorschläge ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die Ergebnisse anerkannt werden. Linke Politik muss sich auf soziale Bewegung und die Mobilisierung außerparlamentarischen Drucks stützen können, um nicht der strukturellen Macht von Kapitalinteressen zu unterliegen.

Wir lehnen fundamental-oppositionelle wie auch umstandslos regierungswillige Auffassungen ab. Ob Regierungsbeteiligung oder Opposition richtig ist, ist nicht pauschal, sondern von Fall zu Fall und auf Basis von Diskussionen mit den betroffenen Menschen zu entscheiden. Wofür man sich auch entscheidet: Es ist zu begründen, dass sich die Lebenslage gerade der sozial Schwächeren durch die jeweilige Politik nachhaltig besser entwickelt und ein größerer Beitrag zu einem grundlegenden Politikwechsel erbracht wird, als es mit dem alternativen Verhalten der Fall wäre. Pauschalfestlegungen, die zu Spaltungen und Selbstisolation führen, schaden unserer politischen Handlungsfähigkeit.

Im Gegensatz zu anderen Strömungen betonen wir die Rolle der lohnabhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften als gesellschaftlicher Kerngruppe. Wir richten unsere Politik an den Interessen der Lohnabhängigen aus und werden mit den Gewerkschaften kooperieren. Es ist erforderlich, ein breites gesellschaftliches Bündnis um die Lohnabhängigen mit und ohne Job zu schließen. Ein solches Bündnis muss erstens den subjektiv durchaus vielfältigen Ansprüchen innerhalb der Gruppe der Lohnabhängigen gerecht werden. Es muss zweitens die Aktivität nicht nur der regulär Beschäftigten, sondern auch der Beschäftigten in nicht oder kaum geregelten Arbeitsverhältnissen, der Erwerbslosen sowie der älteren, aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Menschen mit einschließen. Ein solches Bündnis muss schließlich drittens soziale Bewegungen und das breite Feld von Initiativen, Vereinen, Verbänden und Kulturschaffenden mit einbeziehen. Wir werden uns als sozialistische Strömung in der neuen linken Partei einbringen und auf die inhaltliche und organisatorische Entwicklung der Partei Einfluss nehmen. Die neue Partei wird vielfältig sein, und das ist auch gut so. Wir werden mit allen Strömungen zusammenarbeiten und uns solidarisch auseinandersetzen, deren Vorgehen innerparteilich konstruktiv und an der Verbesserung der aktuellen Verhältnisse ausgerichtet ist.

Wir laden alle Mitglieder in WASG und Linkspartei.PDS sowie AktivistInnen in sozialen Bewegungen und Gewerkschaften dazu ein, die Sozialistische Linke zu unterstützen.